Jeder Jeck ist anders. Was hat Karneval mit Gewaltfreiheit zu tun?

Karneval, Gorilla und ClownJeder Jeck ist anders – Karneval und Gewaltfreiheit

Karneval

Ich mittendrin im Trubel.

Ich liebe den Karneval.

Um mich herum lauter Gestalten, die man so nur an Karneval zu Gesicht bekommt.

Mönche und Nonnen, Clowns, Griechen und Römer im antiken Gewand, Gespenster, Cowboys und Indianer, auffällig viele Männer mit seltsamen Perücken von ungewöhnlich strohblonder Farbe und eigentümlicher Frisur…

Unglaublich wie viele verschiedene Verkleidungen und Masken es gibt

Jeder Jeck ist anders

Kölsche Weisheit

Die Begegnung mit der 3. Art

Mein Blick fällt auf eine Figur vor mir, so ca. 15 m entfernt, verhüllt von den Haar- bis zu den Zehenspitzen mit einem Gewand und einer Maske, die aber auch wirklich keinerlei Gemeinsamkeiten mit meinem ästhetischen Empfinden erkennen lässt: den Kopf bedeckt mit einer Maske, die geprägt ist von blutüberströmten Gesichtszügen, das Gewand „geschmückt“ mit Narben, Geschwüren und offenen Wunden, teilweise gelblich-eitrig, teilweise blutig durchsetzt.

„Wer zieht sich denn so was an?“, denkt es in mir. Das kann ja nur jemand sein, dessen Psyche ziemlich angeknackst ist und dessen Sozialstatus mit einsam am zutreffendsten charakterisiert sein wird.
Ich wollte mit so einem jedenfalls nichts zu tun haben.

häßliche Maske an Karneval

Würdest Du „so einen“ umarmen wollen?

Er (oder sie?) macht eine leichte Drehung. Seinem Innehalten entnehme ich, dass sein Blick auf mich gefallen sein muss.

Auch das noch, er kommt auf mich zu.

Ohne Frage, er meint mich…und ruft plötzlich: „Hallo, Peter, schön Dich hier zu sehen. Wie geht´s Dir denn?“

Die Stimme kommt mir bekannt, ja vertraut vor. Kein Zweifel.

„Ach, Hallo Christian. Das ist ja eine Überraschung. Du auch hier? Ich freue mich auch, Dich zu sehen. Mir geht´s gut, ich genieße die Eindrücke des Karnevals hier.
Mensch, wirklich schön, Dich zu sehen. Aber sag mal, unter solch einem Kostüm hätte ich nie und nimmer Dich vermutet .“  …

Wir reden noch eine Zeit lang miteinander und beschließen dann, uns die nächsten Stunden gemeinsam dem Karnevalstreiben hinzugeben.

Das Leben ist wie Karneval

Ist nicht das ganze Leben ein Karneval, die Welt ein großer Faschingsumzug? Und die Menschen machen mit.

Keiner gleicht dem Anderen.

Das Leben ist ein Faschingsumzug Klick um zu Tweeten

Sie sprechen verschieden, haben unterschiedliche Hautfarben, anders geartete, für den einen fremde, für den anderen vertraute Sitten, Gebräuche, Gewohnheiten.

Jeder hat seine eigenen Gene, die es in dieser Zusammensetzung kein zweites Mal gibt, nicht mal bei Zwillingen, die aus einem identischen Gensatz entstanden sind.

Jeder ist geprägt von den Menschen um ihn herum, von dem, was er erlebt hat, und das nie genau dem gleicht, was ein anderer erlebt hat.

Tatsächlich, Jeder Jeck ist anders. JEDER.

Alle Menschen sind gleich

Und hinter dieser Karnevals-Maske des Anders-Seins steckt das Vertraute, das Bekannte und Liebenswerte, der Mensch, der die gleichen Bedürfnisse, die gleichen Sehnsüchte hat wie ich. Auch mein vermeintlicher Feind.

Und eines dieser Bedürfnisse, das alle Menschen, jeder einzelne in sich trägt, ist es, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Für sich und für andere.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals jemanden getroffen zu haben, bei dem das nicht so wäre.

Alles was ein Mensch jemals tut, ist ein Versuch, beizutragen zur Bereicherung des Lebens Klick um zu Tweeten

In diesen Bedürfnissen hinter den Masken der verschiedenen Strategien, Handlungen, Ansichten, Ausdrucksformen ist jeder Jeck gleich. JEDER.

Alle Menschen lachen und weinen in der selben Sprache

Willy Meurer

Egal, ob es sich handelt um sogenannte

  • Terroristen, denen ein Menschenleben nichts wert zu sein scheint und deren Grausamkeit mir Angst und Wut macht
  • Gutmenschen, über deren Naivität und Realitätsferne man meint, nur den Kopf schütteln zu können
  • Flüchtlinge,  deren Fremdheit und Andersartigkeit Unsicherheit hinterlässt
  • Neonazis oder Rechte, die behaupten, das mit dem Holocaust sei gar nicht so schlimm gewesen
  • Heiligen der Kirche, die auf dem Sockel, auf den sie gestellt werden, unerreichbar zu sein scheinen
  • Bösewichte, Helden, Diktatoren oder die, die sich wie solche gebärden, Grüne, Rote, Braune, Mit-, Wut-. Schildbürger, BVB Fans oder solchen von RB Leipzig…

Tat und Täter sind 2 Paar Stiefel

Ich muss nicht einverstanden sein, mit dem was Anis Amri in Berlin getan hat. Und ich bin es auch nicht!
Mit Trauer, Wut, Erschrecken, Bestürzung blicke ich auf das, was er getan hat.
Und doch erlaube ich mir die Frage: Was ist wohl in ihm vorgegangen, was hat ihn bewegt, was hat er in seinem Leben erfahren, dass er zu solch einer grausamen Tat fähig war?

Ich muss nicht einverstanden sein mit den Worten und Mitteln der Gewalt, mit denen immer mehr Regierungschefs der Welt versuchen, scheinbare Ruhe, Ordnung, Sicherheit zu schaffen oder ihre Macht zu erhalten oder auszubauen. Und ich bin es nicht!
Gleichzeitig stelle ich mir die Frage: Wer sind die Menschen hinter diesen Handlungen? Was wollen sie, wo kommen sie her, welche Bedürfnisse wollen sie sich und anderen mit ihren Handlungen erfüllen?

Ich muss nicht einverstanden sein mit vielen Kommentaren in Facebook oder an anderen Stellen des Internet, die dem Adressaten Wut, Zorn, Hass entgegen schleudern, ihm nicht selten die Menschlichkeit absprechen. Die deutlich zu machen versuchen: „Mit so einem will ich nichts zu tun haben“ (Wobei nicht selten zwischen den Zeilen mitschwingt: „denn ich bin was besseres“). Und ich bin es nicht.
Ich spüre selbst oft Wut in mir, wenn ich solche Kommentare lese.
Und dann gibt es Momente, da ich mich frage: Was will der Schreiber eigentlich sagen, welche Sehnsucht will er zum Ausdruck bringen, was sind die Worte hinter den Wörtern?

Marshall Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation bringt es auf den Punkt, wenn er Folgendes formuliert: 

Zunächst einmal müssen wir Bilder wie „Terrorist“ und  „Freiheitskämpfer“ loswerden. Solange wir uns die andere Seite als Terroristen vorstellen und uns selbst als Freiheitskämpfer, sind wir Teil des Problems. Dann müssen wir uns einfühlen in das, was in diesen Menschen lebendig war, als sie taten, was für uns so beängstigend und schmerzhaft war – um zu sehen, welche menschlichen Bedürfnisse sie damit zu erfüllen versuchten. Solange wir keine einfühlsame Verbindung damit aufnehmen können, werden wahrscheinlich all unsere Handlungen aus einer Energie kommen, die noch mehr Gewalt entstehen lässt.
Was die Menschen betrifft, die Dinge taten, die wir als Terrorismus bezeichnen, bin ich mir sicher, dass sie ihren Schmerz seit mehr als 30 Jahren in vielen unterschiedlichen Formen ausgedrückt haben. Da wir ihn nicht emphatisch aufnahmen, als sie ihn noch auf sanftere Weise zeigten – sie versuchten uns ihre Verletztheit mitzuteilen, dass einige ihrer heiligsten Bedürfnisse durch die Art, wie wir unsere ökonomischen und militärischen Interessen erfüllten, nicht respektiert wurden –, ereiferten sie sich zunehmend. Schließlich nahm ihre Erregung eine schreckliche Form an.
Das wäre also das Erste: Statt sie als Terroristen zu sehen, müssen wir uns in sie einfühlen. Für viele Menschen klingt das, als wäre Terrorismus in Ordnung – wir sollten bloß lächeln und uns so verhalten, als wäre es okay, Tausende von Menschen zu töten. Ganz und gar nicht! Nachdem wir uns eingefühlt haben, müssen wir unseren eigenen Schmerz klar darstellen; welche unserer Bedürfnisse durch ihr Handeln nicht erfüllt wurden. Und wenn wir diese Verbundenheit mit diesen Menschen hergestellt haben, können wir einen Weg finden, um alle Bedürfnisse auf friedliche Weise zu erfüllen. Wenn wir sie jedoch als Terroristen bezeichnen und sie dann dafür bestrafen, können wir jetzt schon sehen, was wir davon haben: Gewalt schafft noch mehr Gewalt.

Was er hier über unser Verhältnis zu Terroristen sagt, gilt sinngemäß für unseren Umgang mit allen Menschen, die wir so gerne in Schubladen stecken. 

Wesentlich ist es, zu unterscheiden zwischen der Tat und dem „Täter“, dem Menschen, der die Tat ausführt.
Hinter die Karnevals-Maske von Wörtern, Handlungen, Strategien zu schauen und den Menschen dahinter zu suchen und im Optimalfall zu finden…

Christian und ich haben zusammen einen wunderschönen Karnevals-Tag erlebt. 

Wenn Du diese Gedanken teilen kannst, schreib etwas dazu in den Kommentaren. Wenn Du nicht damit einverstanden bist auch. Ich würde mich freuen, würdest Du uns mitteilen, wie Du darüber denkst, welche Erfahrungen Du mit diesem Thema hast. Und wenn Dir der Artikel gefallen hat, darfst Du ihn auch gerne teilen mit Deinen Freunden. 

Zum Schluss hier noch ein wunderschönes, berührendes Video eines dänischen Fernsehsenders, das Du auch auf der Facebook Seite von Linke Wange finden kannst. 

In diesem Sinne Helau und Alaaf, 

Peter

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