Giftpfeile der Kommunikation: „Sollte“

SollteSollte ist gefährlich

„Sollte“ (ich sollte, du solltest, es sollte, Steigerung der Giftigkeit: man sollte…) ist einer der gefährlichsten Giftpfeile in unserer Kommunikation.

Sowohl in der inneren Kommunikation mit sich selbst, als auch mit anderen. 

Marshall Rosenberg, der Gründer der Gewaltfreien Kommunikation, hat sinngemäß einmal gesagt: „Sollte“ ist das gefährlichste Wort, das die Menschheit erfunden hat“. 

Sollte ist alltäglich

Um so erstaunlicher ist es, dass bei einer Suche in unser aller lieben Suchtante Google kaum was über diesen Charakter des Wortes und seine Auswirkungen auf die Kommunikation, auf das Lebensgefühl zu finden ist. 

Vielmehr erfuhr ich bei meiner Recherche zu diesem Artikel u.a Folgendes:

  • was ich vor der Aufnahme eines Kredits beachten…
  • was man bei einem Bewerbungsgespräch über das Unternehmen wissen…
  • ob Frau Merkel Kanzlerin bleiben…
  • wieso man Schach spielen…
  • wie man sich mit Herzinsuffizienz beim Sex…
  • dass Herr Schweinsteiger mit dem Fußball aufhören…
  • und in welcher Stadt in Deutschland man leben…… sollte
Sollte Suchergebnis in Google

Jetzt weißt Du, was Du tun solltest

Der große Bruder von „ich muss“

Der erste Artikel, der sich mit den Auswirkungen von sollte auf die Kommunikation auseinandersetzt, findet sich auf Seite 9 (!) der Suchergebnisliste:
Ein Artikel, der „sollte“ als das „sinnloseste und zerstörerischste Wort der deutschen Sprache“ bezeichnet.

Wenn hier allerdings als Lösung angeboten wird:
„Das Geheimnis für Erfolg lautet, mehr “ich sollte” in “ich muss” zu verwandeln!“,
möchte ich doch meine Zweifel anmelden.

(Denn auch ein „Ich muss“ ist für mein Verständnis durchaus ein Kommunikations-Giftpfeil. Wenn auch bei „sollte“ ein weiterer Aspekt hinzu kommt, wie ich später noch erläutern werde).

Und das war´s dann bei Google. Im Weiteren folgen dann erneut Empfehlungen, Aufforderungen, Ratschläge, was man alles tun, unterlassen, unternehmen sollte.

Wer sollte sagt, spricht sich, jemanden oder etwas schuldig

Also, schauen wir uns das Wörtchen mal genauer an.

Zunächst ist es durchaus im Charakter verwandt mit „ich muss“ dahingehend, dass bei der Verwendung beider sowas wie Opferbewusstsein geweckt wird.
Jemand oder etwas, und seien es auch nur die äußeren Umstände, zwingen oder drängen mich dazu, etwas zu tun. Ich bin gar nicht frei in meiner Entscheidung, damit aber auch nicht verantwortlich. Mit beiden gebe ich Verantwortung ab.

Bei „sollte“ kommen allerdings wesentliche Aspekte hinzu.

Diese werden deutlich, wenn wir uns anschauen, in welcher Verwandschaft das Wörtchen in vielen Sprachen steht:

  • Im Spanischen z.B. heißt sollen „deber“. Gleichzeitig heißt deber auch: jemandem etwas schulden.
  • Im Englischen heißt sollte „should“ und es ist offensichtlich, dass dieses Wort nicht nur vom Aussehen her irgendwie verwandt ist mit dem deutschen Wort „Schuld“.
  • Und was bedeutet es, wenn ich im Deutschen sage: mein Konto ist im Soll? Richtig: Ich habe Schulden. 

„Ich sollte“ scheint also etwas mit Schuld zu  tun zu haben.
Ich schulde jemandem etwas, ich bin in (seiner) Schuld.

Jeder Gedanke der „sollte“ beinhaltet wird also begleitet von Schuldgefühlen (oder sagen wir besser, Schuldgedanken, denn Schuld haben oder schuldig sein ist kein Gefühl, sondern ein Konzept).

Sollte ist wie ein Schuldspruch

Sollte kommt einem Schuldspruch gleich

Dieses Konzept der Schuld, das mehr oder weniger bei dem Gebrauch des Wortes „sollte“ mitschwingt, weckt tatsächlich so unangenehme Gefühle wie Frustration, Wut, in manchen Fällen gar Verzweiflung. Das kannst Du ganz einfach nachvollziehen. Lass einfach mal solche Sätze wie
ich sollte…

  • …mich anstrengen
  • …abnehmen
  • …mehr Sport treiben
  • …geduldiger sein mit anderen
  • …mich mehr selbst lieben
  • …meinen Nächsten mehr lieben
  • …etc.

auf Dich wirken. Auf mich wirken sie eher bedrückend als befreiend. Wie geht es Dir dabei?

>Sollte< ist eines der wirksamsten Selbstablehnungsprogramme, die es gibt Klick um zu Tweeten

Widerstand gegen die Wirklichkeit

Man kann über Robert Betz, den Begründer der (meiner Erfahrung nach zwar in vielen Fällen hilfreichen, in einigen Bereichen meinem Geschmack nach allerdings zu sehr esoterisch überhöhten) Transformationstherapie sagen, was man will. Dieser Satz von ihm trifft den Nagel auf den Kopf: 

All die Sollte-Gedanken zeigen, dass wir im Krieg sind mit der Wirklichkeit und mit uns selbst

Diese Erkenntnis zeigt einen weiteren Aspekt des Wortes auf:

Das, was ist, wird nicht akzeptiert, vielmehr sollte das da sein, was eben nicht ist. Damit leben wir im Widerstand gegen die Wirklichkeit, unsere innere, oder eben die äußere. Also, drastisch ausgedrückt: im Krieg.  

Wer sollte sagt oder denkt, befindet sich im Krieg mit der Wirklichkeit Klick um zu Tweeten

Allerdings ist es ein aussichtsloser Krieg, der Don Quijotes Kampf mit Windmühlen gleicht. 

Sollte, ein Kampf gegen Windmühlen

Sollte gleicht einem Kampf gegen Windmühlen

Und dieser Kampf, dieser Widerstand gegen das, was ist, gegen die Wirklichkeit, führt uns zu einem dritten Aspekt des Sollte-Denkens.

Wer sollte denkt, ist im Mangel

Es ist auch Ausdruck eines Mangeldenkens.

Ich hätte gern das Andere, das, was jetzt nicht ist. So wie es jetzt ist, ist es unbefriedigend, damit kann ich nicht zufrieden oder froh oder glücklich sein.

Stress, Unzufriedenheit, Unruhe sind die Folge. Die besten Voraussetzungen für psychosomatische Erkrankungen. 

Die Lösung

Vielleicht hast Du, wenn Du bis hierhin gelesen hast, nun den Gedanken:

„Ich sollte nicht mehr sollte sagen“ oder etwas Ähnliches.

Das fände ich einerseits verständlich und gleichzeitig schade, denn das ist ganz sicher nicht die Absicht meiner Ausführungen.

Es zeigt aber auch, dass es  nicht damit getan ist, das Wort aus Deinem Wortschatz zu streichen oder es durch ein anderes zu ersetzen. Vielleicht wäre das ein erster Schritt, der u.a. auch der Bewußtmachung dient. 

Doch scheint mir eine tiefgreifendere Lösung erforderlich und auch möglich. Das Zauberwort heißt Akzeptanz

Akzeptanz dessen, was ist, ohne die bewertenden Gedanken der Angst, der Vernunft, des Verstandes und all unserer inneren Instanzen, die in dem Gedicht von Erich Fried „Was es ist“ sich melden und die uns einreden wollen, es sollte anders sein.

Eine Akzeptanz, die darauf gründet, dass das, was jetzt ist, und wie es ist, wie Du grade bist, einen guten Grund hat, nämlich ein Bedürfnis, das Du Dir erfüllen willst. Du bist an diesem Punkt, weil Du das Dir Bestmögliche getan hast, um hier zu sein, und bei jedem Anderen ist es genauso. 

Wenn Du Dich also mit Deinen Gefühlen verbindest, das Bedürfnis findest, das dahinter steht, und es anerkennst und wertschätzst, sogar feierst, dann wird jedes „Sollte“ seine Macht verlieren und Opfer-, Schuld-, Mangel- und Kampfgedanken werden sich in Luft auflösen.  

Probier es aus. Und selbst, wenn Du damit beginnst, wenn Du das nächste Mal „sollte“ sagst, dieses humorvoll und bejahend zu umarmen. 

Ich wünsche Dir diese befreiende Erfahrung, 

Peter

Welche Erfahrungen hast Du mit dem Wörtchen? Oder mit der Lösung, der Akzeptanz? Nutze die Kommentarfunktion und erzähle uns davon. Bin schon sehr gespannt. 

 

2 Replies to “Giftpfeile der Kommunikation: „Sollte“”

  1. Dein Artikel spricht mir aus der Seele, Peter. Die Verknüpfung zum Thema Schuld über das spanische „deber“ fand ich interessant. Ein weiterer fataler Giftpfeil ist für mich „müsste“, die kleine Schwester von „muss“. Vorhaben im Konjunktiv wie sollte und müsste verwandeln sich nur selten in Taten. Dennoch tummeln sie sich in unserer Alltagskommunikation. Meine Coaching-Klienten frage ich dann „Wer sagt das?“ oder „Weshalb ist das für Sie wichtig?“.Oft merken sie dann, dass es um unwichtige oder fremde Ziele geht. Vielen Dank für den Artikel und herzliche Grüße. Christine

    1. Christine, vielen Dank für Deinen wunderbar ergänzenden Kommentar. Ja, es ist durchaus so, bei er Verwendung des Konjunktivs fehlt, nicht nur bei sollte und müsste, oft die Klarheit und die Bestimmtheit. Das ist auch bei Aussagen (z.B. ich würde sagen, ich würde meinen, wo ich mir oft die Frage stelle, ja, was muss passieren, dass du es würdest?) oder bei Bitten (würdest Du bitte…). Ich denke, klare Aussagen im Indikativ sind da einfach verbindlicher und klarer.

      Gruß, Peter

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